Die Rinderherde als sozialer Verband
Rinder leben in einer Gruppengröße bis zu 30 Tieren. In größeren Herden bilden sich Untergruppen, in der sich die Tiere kennen und gemeinsam weitgehend synchron agieren (Fressen, Ruhen etc.). Durch das Zustallen von Kalbinnen und Abkalbern oder Zukauftieren wird dieses System instabil. Rangordnungen müssen neu ausgehandelt werden, es entsteht Unruhe und Stress. Es kann zu Verletzungen und verminderter Milchleistung kommen. Daher sollte möglichst selten umgruppiert werden und stets mehr als ein Tier in eine bestehende Gruppe verbracht werden.
Individualdistanz
In Abhängigkeit der Rangordnung halten die Kühe eine Individualdistanz von 0,5 bis 3 m ein. Das zeigt die Relevanz einer ausreichenden Laufgangbreite. Auf der Weide halten liegende Tiere einen Abstand von 2 bis 3 m und fressende Tiere von 9 bis 12 m ein. Sie kommunizieren über optische Signale, wie Kopf-, Schwanz- und Körperhaltung. Senkt eine Kuh den Kopf oder scharrt mit den Klauen, so ist Vorsicht geboten.
Die Tiere erkennen sich in der Gruppe untereinander und auch ihre Betreuer am Geruch. Fremde Gerüche wie Parfum irritieren und sorgen für Unruhe. Neben den optischen Signalen ist der Geruchssinn ein weiteres Kommunikationsmittel, mit dessen Hilfe Stimmungen wie Angst und Stress übertragen oder Sexualpartner gefunden werden. Die Betreuer werden auch an der Stimme erkannt. Kühe verfügen über mindestens 10 bisher bekannte unterschiedliche Lautäußerungen.
Das Rind als Lauf- und Fluchttier
Hier ist besonders, auch mit Blick auf den Umgang mit Kühen, das Sehvermögen zu nennen. Die Sehschärfe nimmt ab etwa 6 m Entfernung ab. Dafür hat eine Kuh durch einen Gesamtsehwinkel von 330 Grad einen Großteil ihrer Umgebung im Überblick. Bewegungen aus dem nach hinten liegenden toten Winkel führen daher zu Schreck- und Fluchtreaktionen. Die um den Faktor 10 verminderte Hell – Dunkelanpassung im Vergleich zum Menschen ist bei Treibvorgängen durch entsprechende Beleuchtung und ausreichend Zeit zu berücksichtigen.
Aktivitäts- und Ruheverhalten geben Auskunft über das Wohlbefinden der Tiere
In Abhängigkeit von Haltungsform, Rationszusammensetzung, Rangordnung, Laktationsstadium und Liegeplatzangebot gelten folgende Kenngrößen:
Die Futteraufnahme erfolgt über 8 bis 12 Mahlzeiten je Tag (bei Überbelegung können rangniedere Tiere nicht oft genug fressen). Dabei werden jeweils ca. 2,2 kg TS innerhalb von 30 bis 45 Minuten aufgenommen. Die gesamte Fresszeit sollte 6 Stunden nicht überschreiten, da für die Ruhe– und Wiederkauphase, welche 30 bis 60 Minuten nach der Futteraufnahme beginnt, etwa 12 bis 14 Stunden je Tag eingeplant werden müssen.
Die Morgen- und Abenddämmerung zählen zu den Hauptaktivitätsphasen. Mittags herrscht überwiegend Ruhe. Die Kuh schläft lediglich 20 Minuten am Tag tief und fest. Allgemein ist der Tagesablauf einer Kuh von 10 Runden zu je 2 Stunden geprägt. 3 Stunden. am Tag verbleiben der Kuh für Komfortverhalten, Hygiene und soziale Kontakte. Um diesen Rhythmus nicht zu stören, sollten das Melken einschl. Wartezeit nicht mehr als 2Stunden am Tag in Anspruch nehmen.
Zu häufiges Futteranschieben kann Ruhephasen verkürzen und damit die Milchleistung sowie das Wohlbefinden senken. Fressen und Ruhen sind gleichermaßen wichtig. Die Ruhephasen entlasten das Fundament, die Klauen trocknen ab und die Durchblutung des Euters wird gefördert.
Allgemeine tägliche Kontrolle
Verschaffen Sie sich beim Betreten des Stalles zunächst einen allgemeinen Eindruck! Schauen Sie über die gesamte Herde, wie viele Tiere ruhen, wie viele Fressen, wie viele kauen wieder, gibt es Unruhe im Stall, fallen besondere Geräusche auf, gibt es andere Gerüche. Schärfen Sie ihre eigenen Sinne.
Verhalten sich Tiere anders als sonst, sondern sich Tiere ab, stehen mehr als gewöhnlich viele um die Kraftfutterstation, Melkroboter oder Tränke. Werfen Sie einen gezielten Blick auf Risikogruppen. Abkalber und Frischmelker, Kalbinnen, behandelte Tiere, neu zugestallte Tiere, magere Tiere. Kontrollieren Sie riskante Stellen im Stall wie z.B. Treibgänge, Fressgitter, Kanten etc.. Liegt genügend Futter vor, wurde selektiert, wie sieht der Kot aus, ist der Pansen gefüllt, wie viele der liegenden Kühe kauen wieder, wie viele Wiederkauschläge zählen Sie.
Stehen die Kühe am Futtertisch, kann die Rückenaufwölbung gut beurteilt werden. Eine gesunde Kuh hat eine gerade Rückenlinie. Ein aufgewölbter Rücken kann Hinweis auf Fundament– und/oder Verdauungsprobleme sein. Gesunde Tiere laufen mit raumgreifendem Schritt und erhobenem Hals. Ist das Bewegungsbild verspannt und unsicher, sollte außer dem Tier auch die Bodenbeschaffenheit kontrolliert werden.
Tierkontrolle durch Technik und Mensch
Es gibt zahlreiche technische Hilfsmittel, die die Überwachung der Herde erleichtern. Z.B. Wiederkauzähler, Aktivitätsmesser u.a., doch die so erfassten Daten müssen bewertet werden. Nur der geübte Tierhalter wird direkt am Tier erkennen, ob es ihm gut geht oder Handlungsbedarf besteht. Da Kühe Schmerzen lange verstecken, wenn sie sich beobachtet fühlen, kontrolliert man die Tiere zunächst aus der Distanz. Eine gesunde Kuh ist an der Umgebung interessiert und neugierig, hat ein lebhaftes Ohrenspiel, läuft mit erhobenem Kopf und hat einen entspannten Gesichtsausdruck. Tiere mit Schmerzen hingegen halten die Ohren nach hinten oder lassen Sie hängen und laufen mit gesenktem Kopf, um ignoriert und in Ruhe gelassen zu werden. Ihr Gesicht macht durch Falten oberhalb der Nasenlöcher und der Augen einen verspannten Eindruck.
Fazit:
Jeder Betriebsleiter hat je nach Melkverfahren, Stallgestaltung unterschiedliche daraus für die Tiere erwachsende Vor- und Nachteile auszugleichen. Durch konsequente Beobachtung und einem Ursache – Wirkungsabgleich kann ein betriebsindividueller kontinuierlicher Verbesserungsprozess initiiert werden. Abweichende Verhaltensweisen wie Urinsaufen, Zungenschlagen, Wandabschlecken, Holznagen u.a.m. haben immer eine Ursache und sollten abgeklärt werden.
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